Cook4Cook – ein Interview mit Ivo Brnjic über das Justizcafe

Es gibt ein Leben außerhalb des Restaurants

Die ÖGZ traf den bekannten Wiener Gastronomen Ivo Brnjic in seiner „Edel-Kantine“ Justizcafé auf dem Dach des Justizpalastes, um mit ihm über die besondere Kunst zu plaudern, eine Kantine wirtscha lich für anspruchsvolle Gäste zu betreiben

Text: Thomas Askan Vierich, Fotos: Sven Gilmore

ÖGZ: Herr Brnjic, warum wird aus einem erfolg- reichen Szene-Gastronomen ein Kantinenbe- treiber?
Brnjic: Nach Änderungen der Vertragsbedingun- gen mit dem Theater an der Wien bin ich nach Rück- gabe des Theater-Cafés am Naschmarkt zu meinen Ursprüngen zurückgekehrt. Ich habe ja als Koch in der Kantine des Burgtheaters angefangen und spä- ter jahrelang die Kantinen der Vereinigten Bühnen Wien geleitet.

Und wie sind Sie an diesen ganz besonderen Ort auf dem Dach des Justizpalasts gekommen?
Mit etwas Glück, einem überzeugenden Konzept und aufgrund meines Rufs als verlässlicher Gastronom, der gute Qualität zu guten Preisen anbietet. Für das Justiz- café gab es 22 Bewerber! Ich scha e es in die Runde der letzten drei und bekam letztlich den Zuschlag.

Was ist das Besondere daran, eine Kantine zu führen?
Die Kunst besteht darin, für 200 Leute genauso gut zu kochen wie für zehn Gäste à la carte. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, auch in einer Kantine beim schnel- len Mi agessen auf Gästewünsche eingehen zu kön- nen. Die meisten Kantinen werden mit Fertiggerich- ten beliefert, und dann muss gegessen werden, was auf den Tisch kommt. Das genügt mir nicht.

Bei Ihnen kosten Mi agsmenüs zwischen 8 und 11,50 Euro. Das ist nicht billig, aber auch nicht teuer. Wie bekommen Sie bei Ihren Ansprüchen die Wirtscha lichkeit hin? Verdienen Sie haupt- sächlich an den Getränken?
In einer Kantine muss man genauso kalkulieren wie in einem Restaurant in der City. Wer glaubt, man könne nur an den Getränken verdienen, hat sich getäuscht! In einer Kantine – vor allem, wenn man wie wir nicht von einem Unternehmen subventio- niert wird – muss man e zient wirtscha en und einkaufen. Der Mehrwert liegt in den Speisen! Des- wegen sollten sich die Kollegen ruhig trauen, für ihr Essen Geld zu verlangen, und nicht nur bei den Getränken aufschlagen. Zehn Euro für eine Flasche Mineralwasser ist zu viel! Man muss gute österrei- chische Gerichte wie Rindsgulasch oder Rostbraten nicht herschenken!
Aber man kann den Gästen bereits ab 5 Euro auf- wärts gute und frische Waren vom Markt anbieten. Beim Fleisch sollte man nur so viel bestellen, wie man wirklich braucht. Es ist besser, eine Speise ist mal aus, als dass man ständig zu viel wegwir . Auf- grund unserer realistischen Kalkulation können wir zusätzlich zu den Mi agsmenüs auch Gerichte à la carte anbieten und erzielen damit einen Mehrwert und bessere Preise.

Haben Sie auch Bio-Produkte im Angebot?
Bio-Eier, Bio-Gemüse und Fleisch nur aus Österreich. Das beziehen wir teilweise direkt von kleinen Betrieben aus dem Umland. Leider ist nicht alles bio, wo bio draufsteht, da nur unzureichend kontrolliert wird. Deswegen führe ich Kontrollen selbst durch.

Setzen Sie auch Convenience ein?
Mit Convenience sollte man nur arbeiten, wenn man keine andere Möglichkeit hat. Ich halte nicht viel von konservierten und auf lange Haltbarkeit hin abgepackten Produkten. Ich bin in der glücklichen Lage, dass wir keine typische Mensa sind, sondern ein Betriebsrestaurant mit Abendveranstaltungen. Des- wegen produzieren wir alles selbst, damit der Gast die bestmögliche Qualität für sein Geld bekommt.

Wie viele Leute arbeiten bei Ihnen?
Zurzeit beschä igen wir sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich selbst bin fast täglich vor Ort – vom Frühstück über den Nachmittagskaffee bis zu den Abendveranstaltungen. Das muss ich auch. Es wäre wünschenswert, wenn alle Köche wirklich das könnten, was auf ihren Zeugnissen steht: Teamfähigkeit, Kreativität, Einkauf und Warenkontrolle. Das ist leider nur noch selten so. Es mangelt an einer soliden Grundausbildung. Früher war die Ausbildung strenger und tiefer. Ich bin damals in Kärnten um halb fünf aufgestanden, habe ein Schwein geschlachtet und dann den ganzen Tag gearbeitet bis Mitternacht. Ich habe als Gastronom mit vielen tollen und schrägen Köchen zusammengearbeitet. Heute vermisse ich die Ernsthaftigkeit, die Liebe und die Leidenschaft! Heute wird die Ausbildung häufig von Convenience-Herstellern gesponsert. Der Nachwuchs kocht zu viel mit Fertigprodukten, die können das Handwerk nicht mehr. Dennoch setzen auch wir Dampfgarer ein, um Fleisch zu regenerieren. Das ist unverzichtbar!

Sie haben früher drei Lokale und ein Catering- Unternehmen gleichzeitig geführt, jetzt kon- zentrieren Sie sich auf das Justizcafé. Ist das bes- ser für die Work-Life-Balance?
Ja! Ich bin draufgekommen, dass es noch anderes im Leben gibt als Arbeit. Heute habe ich hin und wieder mal um 16 Uhr frei. Das gibt mir Zeit für anderes: Theater, Oper, Kino, freie Wochenenden. Daran ist auch meine Lebenspartnerin schuld, mit der ich das Glück habe, seit fünf Jahren zusammenzuleben. Die würde meine Schlagzahl von früher einfach nicht mitmachen! Und das ist gut so. Danke!

Welche Empfehlung hätten Sie für angehende Gastronomen?
Ich wünsche ihnen, dass sie mit guten und erfahrenen Köchen zusammenarbeiten können, die sie auch anständig bezahlen können! Dass sie sich mit ihrem Lokal gut positionieren. Und dass sie es etwas leichter haben als ich. Man muss heute noch schärfer kalkulieren, nicht nur bei den Getränken, auch bei den Speisen. All den selbstständigen Gastro- nomen möchte ich sagen, dass es außer Arbeit und Geldverdienen auch noch ein Leben gibt. Das musste ich auch erst lernen …

Zur Person
IVO BRJNIC
geboren 1957 in Kroatien, hat in Kärnten gelernt und gearbeitet. Dann übernahm er die Kantine des Burgtheaters, später leitete er die Kantinen der Vereinigten Bühnen Wiens. Von 1991 bis 2009 Theater-Café, er hat das damals aufsehenerregend stylische Lokal (Hermann Czech) übernommen, als sich das keiner zutraute. Lange Jahre Inhaber der Catering-
Firma Der Ivo. Seit 2007 hat er das Justizcafé im Wiener Justizpalast gepachtet. Denkt über eine neue Form von hochwertigen belegten Broten nach, die er in einem Straßenlokal in Wien verkaufen möchte.

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